Passive Öffentlichkeitsarbeit: Die unscheinbare Art zu Höhlern.

Teil 1

Von Arne Saknussem

"Unscheinbare Art zu Höhlern" und "Passive Öffentlichkeitsarbeit" sind natürlich beschönigende Umschreibungen für unerlaubte Höhlenbefahrungen. Sind wir ehrlich, jeder und jede von uns schleicht sich gelegentlich unerlaubt in Höhlen. Auch die GK's (Großkopfeten) der Vereine und sogar die ehrenwerten Vorstandsmitglieder der VDHK, die normalerweise die Regeln aufstellen, nach denen sich der Rest von uns benimmt. Ob vertretbar oder nicht, was der Fall ist muß rational betrachtet werden. So wie die Menschen sind, werden sie sich immer in Höhlen schleichen, egal, ob es verboten ist oder nicht. In manchen Gegenden der Welt und des Landes ist seit Jahrzehnten das Einschleichen die einzige Möglichkeit, um die dortigen Höhlen zu befahren. Wenn wir die gegenwärtigen Entwicklungen in Betracht ziehen, und berechtigterweise fürchten, daß versaute Verhältnisse kaum rückgängig gemacht werden können, dann wird in Zukunft getarntes Höhlern noch viel häufiger stattfinden.

Von den ethischen Fragen mal abgesehen, hat der Höhlerer und die Höhlerin, sowie die Höhlenforschung an sich nur Vorteile, wenn niemand erwischt wird. Viele der hier beschriebenen Taktiken stammen aus der privaten Praxis. Andere stammen aus militärischen Lehrschriften oder sind von Überlebenskursen übernommen. Erfahrene Höhlerinnen und Höhlerer verstehen Unsichtbarkeit spontan. Sie werden die meisten der hier angesprochenen Vorgehensweisen kennen und, während sie sich amüsieren, hoffentlich andere dazulernen.

Prüfe alle positiven Annäherungsversuche. Schmeichle dem Besitzer1 . Mach dich beim Besitzer mit Postkarten aus dem Urlaub beliebt, mit Schnapsflaschen, einer jährlichen Bierfete zu seinen Ehren, hilf ihm beim Tapezieren seiner Wohnung und allem was ihm gefällt. Es ist nicht unmöglich, daß er dir

exklusive Befahrungsrechte erteilt. Selbst in so einem Fall ist es vorteilhaft, wenn du weißt, wie sich Leute in Höhlen einschleichen, denn wer die Techniken der Höhlenschleicher kennt, kann verhindern, daß Außenstehende die unter eigener Kontrolle stehende Höhle beschleichen.

Aber soll man einen Besitzer mit seinen legitimen Rechten überhaupt umgehen? Er hat vielleicht nur wegen schlechten Erfahrungen mit unverantwortlichen Höhlerern den Zugang zu seiner Höhle beschränkt. Entstehht denn ein Schaden, wenn ein "anständiger" Höhlerer, ohne Spuren zu hinterlassen, sich in die Höhle einschleicht? Bilde dir dein eigenes Urteil. Ziehe die verschiedenen Umstände in Betracht und bedenke möglicherweise ungewollte Auswirkungen auf dich und andere.

Eigentumsrechte und Verantwortungspflichten sind ein wirkungsvolles Konzept des Rechtsstaats. Das Gesetz steht auf Seiten der Eigentümer, selbst wenn es Verbrecher sind. Wenn du keinen "legitimen" Grund hast, in eine bestimmte, restriktierte Höhle zu gehen (etwa unvollständige Höhlenpläne oder ein unwiderstehlich emotionales Verlangen nach einer bestimmten Höhle) , dann solltest du dir ernstlich überlegen, eine andere Höhle zu suchen. Oder versuche ein paar Jahre später zurückzukehren, denn Besitzer können umgänglicher werden, sterben, ihr Eigentum verkaufen oder die Verantwortung anderen überlassen.

Kenne deine Grenzen,wenn du dorthin gehst, wo du nicht willkommen bist. Wäge die Vorteile gegen die Risiken ab, die beträchtlich sein können: Du kannst erschossen werden. Du kannst eingesperrt werden. Du kannst eine Geldstrafe aufgebrummt kriegen. Womöglich kassiert der Besitzer deine Ausrüstung. Die Skinheads der Gegend oder der lokale Höhlenrettungsverein wäre hellauf begeistert, dein Zeug einzusacken.

1. Mit "Besitzer" sollen im folgenden die tatsächlichen Eigentümer und die abhängigen oder selbsternannten Aufschließer, Verbindungsoffiziere, Höhlenwarte und alle anderen Verantwortlichen bezeichnet werden, unter deren Kontrolle die Zugangserlaubnis reguliert wird.

Du bist stolz darauf ein Höhler/ eine Höhlerin zu sein. Du trägst gern deine "Uniform", damit es die ganze nicht-höhlernde Welt sieht. Die meisten Menschen machen jedoch keinen Unterschied zwischen normal und durchschnittlich. Als Höhlerer/Höhlerin bist du nicht wie "jeder andere" und deshhalb mit einem Grad von Ungeheuerlichkeit versehen. Große Stückzahlen von Höhlerern sind nicht einmal anderen Höhlerern geheuer - was wir von Tagungen her kennen.

Auffällig sichtbare Höhlerer , diese Angeber, die wir kennen, verschlimmern uns anderen die Lage, indem sie wiederholt in Zeitungen erscheinen, überwichtig herumtun, zu später Stunde unerträglich Lärm machen, Müll liegenlassen, sich nachts vor dem Haus des Höhlenbesitzers nackt auusziehen oder sein Eigentum beschädigen. Selbst so anständige Höhlerer und Höhlerinnen wie wir werden schräg angesehen.

Denn Höhlern ist eine ungewöhnliche Tätigkeit, mit der man nichts anfangen kann (nicht mal Geld verdienen) und davon abgesehen weiß jeder, daß unten das Reich des Teufels ist.

SOZIALÖKOLOGIE

Ich empfehle, praktische Erfahrung in unauffälligem Höhlern selbst dann zu sammeln, wenn man mit dem Segen des Höhlenbesitzers unterwegs ist. Das heißt natürlich nicht, daß man riskieren sollte, einen freundlich gestimmten Menschen zu verprellen, indem man hinter seinen Rücken herumschleicht. Alle VHDK-Höhlerer wissen, daß man Wegschranken und -tore wieder zuschließt, Karbid oder Müll nicht einfach wegschmeißt, nicht mit verlehmten Schlaz in das Ausflüglerboot oder in die Seilbahn steigt, keine Zufahhhrtswege blockiert, Feldfrüchte nicht zertrampelt oder mit dem Vierradantrieb duurch den Rübenacker prischt. Aber die Wirkung des Höhlenbesuchers auf den Höhlenbesitzer gleicht radioaktiver Strahlung: Sie ist unfühlbar, hinterhältig und kummulativ. Freundlich gesinnte Höhlenbesitzer sind auch selten geworden, weil die Umweltbelastung zu groß geworden ist.

Jede Höhlenbefahrung ohne Genehmigung ist eine heimliche Befahrung. Es gibt jedoch Sachverhalte, die einem genehmigungsfreien Zugang förderlich sind:

* Der Höhlenbesitzer hat eigentlich nicht gegen Höhlerer, will aber keine ausdrückliche Genehmigung geben. Er stellt ein Schild "Betreten Verboten" auf und denkt, damit Genüge getan zu haben.

* Er hat nichts gegen Höhlenbesucher, haßt aber fremder Leute Briefe zu beantworten, vom Telefon gestört zu werden, an die Haustüre gehen zu müssen, seinen Hund losbellen zu hören, bei der Sportschau gestört zu werden, u.s.w.

* Ein Verantwortlicher ist nicht erreichbar oder unbekannt und niemand scheint sich um die Höhle zu kümmern: Schon bist du drin!

Unter diesen unklaren Umständen tust du dir und deinen Kollegen einen großen Gefallen, wenn du bei deinen Aktivitäten nicht viel Aufhebens machst. So kann ein Höhlenbesitzer Höhlerern eigentlich freundlich gestimmt sein, aber seine Nachbarn stört den Verkehr, der jedes Wochenende an der Zufahrt herrscht. Ziehe also auch die Nachbarn in Betracht. Denn wenn sie verärgert werden, dann setzen sie den Besitzer unter Druck, damit etwas gegen diese Höhlerer unternommen wird. Er legt Wert auf ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis und wird ihnen den Gefallen tun.

Manche meinen, daß Höhlern illegal sei oder zumindest verboten werden sollte. Wenn man dich erwischt, ist es erfahrungsgemäß besser einzugestehen, daß man Höhlenforscher ist, als sich damit herausreden zu wollen, zu einer Wehrsportgruppe zu gehören, die geheime Manöver durchführt. Solange man nicht verunglückt und dadurch komplett ausgerüstete Konvois kompetenter Rettungsdienste in Begeisterung versetzt und damit in die Fänge der Versicherungen gerät, solange wird die Mißachtung von "Betreten auf eigene Gefahr"- Schildern und Landfriedensrechten nicht für sehr verbrecherisch gehalten. Der rothalsige Typ von sadistischem Polizistenschwein ist zwar am Aussterben, kommt aber immer noch vor. Wenn man sich in eine Lage verrennt, in der man nach seinen Regeln spielen muß, zieht man den kürzeren. Ein Rechtsanwalt kann dann schon aus der Patsche helfen, aber man ist trotzdem einen Stapel Geld los. Es zahlt sich aus, auf ein paar Kleinigkeiten zu achten, die einem unnötigen Stress ersparen. Wenn du kein Verbrechen begangen hast, brauchst du auch nicht auszurasten. Behalte immer eine positive Einstellung. Gib nicht auf, bloß weil du gejagt wirst und fang nicht zu stottern an, "daß du es geahnt hättest, daß man dich erwischen würde". Meine Empfehlung: Unterschätze nicht die Macht von Kleinstadtpolizisten. Behandle sie so, als ob du tatsächlich vor ihnen Respekt hättest. Wiederstehe jedem kleinsten Verlangen deiner Stimme Nachdruck zu verleihen. Wenn du keine Erfahrung mit überzeugendem und konsequentem Lügen hast, dann lüge nicht. Sie werden versuchen, dich in Widersprüche zu verwickeln und wenn sie dich beim Lügen ertappen, verbuchen sie auf ihrer Seite einen großartigen psychologischen Sieg. Du bist keines großenVergehens schuldig und du brauchst deine Verfolger deshalb auch nicht verrückt zu machen. Wenn du ihnen nicht widersprichst, nimmst du ihnen ihr Vergnügen dich zu verfolgen und zu vernehmen - sie hassen Papierarbeit!

Naturschutzhelfer (auch Förster, Jäger, Tier- oder Umweltschützer genannt) treten in Natur- und Umweltschutzgebieten am häufigsten auf, kommen aber auch in der Nähe von Wäldern, Kletterfelsen und Seen vor, besonders in Jagd- und Jagdschonzeiten. Sie haben ähnliche Macht wie die Polizisten, treiben sich aber eher in der freien Natur herum. Auf der ganzen Welt treten sie bei Höhlenrettungen hordenweise in Erscheinung, tun aber nichts. Mit der weiteren Verbreitung von Umwelt- "Bewußtsein" kommen sie sich in ihrer unnützen Existenz immer wichtiger vor, während sie früher Höhlerern und Höhlerinnen bloß dann belästigten, wenn sie sie für Wilderer hielten.

Scheuch sie nicht auf!

Diese explosive Kraft hört man hunderte von Metern weit und sie alarmiert die ganze Umgebung und die Hunde. Falls sich die Tür nicht leise schließen läßt, laß das Schloß nur einschnappen und drücke die Tür mit einem Poschwung vollends zu. Wenn sie sich von Innen nicht leise schließen läßt, fahre mit offener Tür ins sichere Terrain. Schließe und öffne Autotüren nicht öfter als unbedingt notwendig. Übe, bis es dir zur Gewohnheit wird. Eine wirklich hervorragende Zeit für das Üben von lautlosem Türschließen ist die nächtliche Ankunft an Höhlerertagungen.

Auch wenn du mit uneingeschränkter Erlaubnis höhlerst, sollten die Autotüren so leise wie möglich behandelt werden. Wenn der Höhlenbesitzer nicht gehört hat, wie du nachts heimgefahren bist, wird er positiv beeindruckt sein. Ein 45-minütiges Autotürenzuschlagen um 3 Uhr in der Früh kann dem Faß den Boden ausschlagen.

AUTO

Der Schwachpunkt des Höhlerer ist sein Auto. Das Auto verrät Anwesenheit und Identität. In stark frequentierten Höhlengebieten ist Fahrzeugeinbruch und Vandalismus häufig und ein Zeugnis für die dortige Unbeliebtheit der Höhlerer. Einheimische kennen die Plätze, an denen Höhlerer ihre Autos verstecken. Wenn der Parkplatz unsicher ist, versuche wenigstens eine neue Zufahrt auszumachen, damit die Anfahrt nicht so leicht bemerkt wird. Sei nicht zu faul Umwege in Kauf zu nehmen. Wenn du weit von der Höhle entfernt parkst, ist es besonders wichtig, eine/n Bekannten zu informieren, wo du bist, falls du gerettet werden mußt. Verursache keine unnötigen Fahr- und Fußspuren. Es ist von Vorteil, ein möglichst schwer zu beschreibendes Auto zu fahren, das möglichst eine örtliche Autonummer hat, wenigstens eine nationale.

Es kann von Vorteil sein, den schicken Campingbus zu Hause zu lassen oder vor Ort einen einheimischen Wagen zu mieten, besonders dann, wenn du nicht von anderen Höhlerern erkannt werden willst. Politiker, Verkehrsämter und örtliche Radiosender verteilen gratis Aufkleber. Bewahre sie auf, um gegebenfalls Höhlererabzeichen zu überkleben. Sie lassen sich leicht wieder entfernen, wenn dein Auto verschmutzt ist oder ein Großteil der Klebeseite mit Papier abgedeckt ist. Benutze keinen politischen Aufkleber, wenn du nicht weißt, welche Politiker in der Gegend beliebt sind.

Es ist genehmigt, daß du deine Höhlenhelme und Karbidlampen aus Messing stolz auf der Rückablage präsentierst, solange du zur Höhle fährst, wenn du sie wegsteckst, sobald du von der Autobahn herunterfährst.

Halte dich gewissenhaft an Verkehrsregeln, wenn du zwischen 22h und dem frühen Morgen zwischen kleinen Städten unterwegs bist. Die Bullen sind gelangweilt und geben besonders auf Fremde acht, die zu einer Zeit unterwegs sind, zu der anständige Leute in ihrem Bett schlafen. Rein theoretisch können sie dich nicht auf bloßen Verdacht hin festsetzen, aber darauf kann man sich nicht verlassen.

Sie finden allemal eine Möglichkeit, dich aufzuhalten und deine Zeit mit unerwünschter Gesellschaft zu verschwenden.

ABSETZEN UND AUFNEHMEN

Eine der einfachsten und wirkungsvollsten Vorgehensweisen bei heimlicher Höhlerei besteht darin, sich von jemanden in Höhlennähe absetzen und später abholen zu lassen. Der Fahrer sollte ein geübter Navigator sein und das weitere Umfeld der Höhle möglichst kennen oder zuvor inspiziert haben. Such dir sorgfältig einen reifen, zuverlässigen Fahrer mit gutem Zeitgefühl. Falls man an einem falschen Ort abgesetzt wird, ist der Höhlentrip verhunzt. Besteht die Möglichkeit, daß man den Absetzort nicht findet, sollte er unauffällig mit Hilfsmitteln der Landesstraßenverwaltung markiert werden. Falls das Markieren des Absetzortes selber Verdacht erregen könnte, empfiehlte es sich, die Markierung in einer definierten Entfernung anzubringen. Sorge dafür, daß die Höhlerergruppe wenigstens zwei Uhren mit gleicher Zeitangabe mit sich führt.

Schalte die Innenraumbeleuchtung des Autos so, daß sie mit dem Öffnen der Tür nicht angeht. Es können Schalter eingebaut werden, um bei Bedarf Bremslichter und Nummerntafelbeleuchtung auszuschalten. Nähere dich dem Absetzort so leise wie möglich. Sorge für einen guten Auspuffschalldämpfer. Besonders auf unbefestigten Wegen ist sanft zu bremsen und zu beschleunigen. Suche möglichst einen abschüssigen Abhol- und Absetzort. Das Üben einiger Absetz- und Abholvorgänge mit der Höhlerergruppe im Wald bei deinem Wohnort verbessert die Fähigkeit rasch ein- und auszusteigen.

Plane ein Schema für verfrühte Abholung bei Zwischenfällen. Die zu besuchende Höhle kann abgeschlossen sein, überflutet, nicht begeh- oder auffindbar, weshalb die Höhlerer das Gebiet früher als erhofft verlassen wollen. Besonders bei kalter Witterung ist Frühabholung wichtig. Stehen Sprechfunkgeräte zur Verfügung, fährt der Chauffeur in sichere Entfernung innerhalb der Reichweite und wartet ein "OK" ab. Sonst passiert er den Abholplatz zur vereinbarten "Mission abgebrochen"-Zeit. Trifft er niemand an, kehrt er erst zur "Normal"- Abholzeit zurück. Man kann gegebenenfalls auf eine verfrühte Abholzeit verzichten, niemals aber auf einen verspätete Abholzeit und/oder einen alternativen Abholplatz, falls sich die Höhlerer verspäten oder der ursprüngliche Abholplatz unbrauchbar geworden ist. Bei einer nächtlichen Abholung ist es ziemlich peinlich sich einem falschen Auto zu erkennen zu geben. Eine abgedunkelte Lichtquelle auf dem Armaturenbrett ist ein brauchbars Erkennungszeichen. Die Abwesenheit des Signals kann "ich werde verfolgt - wartet auf die nächste Runde" bedeuten oder "Suche den alternativen Abholplatz auf".

Der Code darf nicht übermäßig kompliziert sein.

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Der Artikel

"Passive Öffentlichkeitsarbeit : die unschein- bare Art des Höhlerns" wird im nächsten ABSEILER fortgesetzt.