Bericht über das "Höhlensystem auf der Hüttstatt" (Kat. Nr. 1624/28)1

Von Alfred AUER und W. Hofrat, Dipl. Ing. Othmar SCHAUBERGER

Nach sechsstündigem Anmarsch von Grundlsee zum Appel-Haus am 11.08.1973 und weiterem zweistündigen Aufstieg mit schwerem Gepäck zu den Höhleneingängen am 12.08., versuchten Franz Hütter, Othmar Schauberger und Alfred Auer zwecks Erkundung der Befahrungsmöglichkeiten in das Höhlensystem auf der Hüttstatt einzudringen, was aber infolge der hohen Firnschneelage und starken Höhlenvereisung, womit die Zugangsdolinen verstopft erschienen, mißlang. Es konnte lediglich obertags die Entfernung der Eingangsdoline und einiger Schächte von dem unweit vorbeiführenden Steig Appelhaus - Pühringerhütte eingemessen werden. Somit können unsere Expeditionsvorbereitungen erst nach Antreffen günstigerer Bedingungen fortgesetzt werden.

Damit aber alle unsere interessierten Mitglieder ein Bild von diesem noch wenig erforschten Höhlensystem auf der Hüttstatt bekommen, veröffentlichen wir hier einen Befahrungsbericht von D.I. Othmar Schauberger aus dem Jahre 1922, der mit den Forschungsergebnissen aus den Jahren 1936 und 1968 ergänzt ist:[Plan der Hüttstatthöhle von Auer und Schauberger]

"In der Einsattelung zwischen Widderkarkogel (1952 m) und Hinterem Bruderkogel (2033 m) wurde am 27.08.1921 von Willi Lang und Othmar Schauberger in 1815 m Seehöhe auf der sogenannten Hütt- oder Bschlagstatt" 41m nördlich des Weges Appelhaus - Pühringerhütte ein Höhlensystem erkundet, das noch manche Überraschung bieten dürfte.

Den Zugang zu diesem Höhlensystem vermittelt eine ziemlich eng zusammengedrängte Gruppe von Dolinen und spaltartigen Schächten. Am Grunde der Dolinen I-III und in einem unscheinbaren Höhleneingang zwischen Doline II und III wurden Zugänge gefunden (siehe Skizze).

Wir betreten die Höhle von der Doline III aus; zunächst geht's über Schutt einige Meter abwärts. Darauf folgt eine Erweiterung. Glashelles Eis bedeckt den Boden und erfüllt auch zwei, nach rechts abzweigende Gänge, die schließlich vom Eis abgeschlossen werden. Wir stoßen in dem sich erweiternden Hauptgang wieder auf Schutt und plötzlich scheint der Gang wie abgeschnitten. Nur ein halb verschütteter, unangenehm schmaler Spalt läßt noch Einiges hoffen. Er wird notdürftig ausgeräumt und mit äußerster Mühe passiert. Ein unmittelbar anschließender Schmelzwassertümpel verschafft uns ein unfreiwilliges Bad. Aber das Spiel ist gewonnen.

Noch einige Schritte über blankes Eis und wir betreten ein verlassenes Höhlenbachbett mit einer Breite, die zwischen 1 und 4 Meter schwankt und einer Höhe von 1,5 - 2 Meter zieht es sich mindestens 200m horizontal nach Süden. Wir haben aber hier nicht einen einzigen Gang vor uns, sondern ein verwirrendes Labyrinth von Gängen und Schlüfen, die nicht nur links und rechts abzweigen, sondern auch in tiefere Etagen führen. Alle zehn Schritte öffnet sich der Boden, tun sich lange Spalten, enge Kamine oder tiefe Schächte auf. Hier bietet sich der Forschung noch eine Fülle von Möglichkeiten.

Ungefähr im ersten Drittel steht der Hauptgang durch einen Gang mit einem Dom in Verbindung, dem "Glattwanddom", so genannt wegen der vollkommen glatten, polierten Wände, der durch den schon vorhin erwähnten Höhleneingang zwischen Doline II und III durch Abstieg über eine ungefähr 8 m hohe Wandstufe erreicht werden kann. Auf seinem Grunde liegt Schnee. Der vorhin erwähnte Verbindungsgang mündet in halber Wandhöhe und kann vom Boden des Domes aus nicht erreicht werden. Der Glattwanddom steht auch mit der Doline II durch einen schmalen Spalt in Verbindung. Vom Grund des Domes führt ein steil abfallender Eisstrom in die Tiefe. Wir verlassen ihn dort, wo er sich in einen Schacht ergießt und betreten ein zweites Bachbett das ebenso wie das von Doline III aus begangene, horizontal und fast schnurgerade etwa 20 m tiefer als das erste verläuft. Wie weit und wohin ist noch unbekannt!

Wir kehren in das obere Bachbett zurück. Die Wanderung ist beschwerlich, weil sich ein tiefer Strudeltopf an den anderen reiht, wodurch der Wassertunnel ein eigentümliches Gepräge erhält. Schon früher begegneten wir vereinzelten, kleinen Tropfsteinen. Diese werden jetzt größer und immer zahlreicher, kleine Säulen wachsen empor, zierliche Sintervorhänge bekleiden die Wände, bis schließlich der ganze Gang in reichem Tropfsteinschmuck prangt. Nun wird der Gang höher und beginnt sich zu senken. Die Tropfsteine treten mehr zurück, dafür bekleiden dicke Sinterschichten Boden und Wände. Ein starker Luftzug macht sich bemerkbar, ein fernes Brausen kommt rasch näher, eine scharfe Gangbiegung und wie durch einen Zauberschlag fliegen die Wände auseinander, eine Fülle von Tropfsteinen über und neben uns und ein gewaltiger Dom, der "Freundschaftsdom", vor uns. Ungefähr kreisrund, mißt er schätzungsweise 25 - 30 m im Durchmesser. Prächtige Tropfsteingalerien führen an seinen Wänden entlang. Aber der Eintritt ist uns versagt; hinabgeworfene Steine verhallen in der Tiefe. Ebenso ist die Höhe des Domes unbestimmt, auch das vereinigte Lampenlicht erreicht die Decke nicht.

In der Doline I muß man sich abseilen. Der am Dolinengrund liegende Schnee erfüllt auch einen anschließenden niedrigen Raum. Man gelangt von hier in eine Bergspalte, umgeht einen Abgrund, stößt aber bald auf einen zweiten, tieferen, der die volle Gangbreite einnimmt und dem weiteren Vordringen ein Ziel setzt. Die Schächte wurden noch nicht näher untersucht.

Das wichtigste Ziel der weiteren Erforschung dieser interessanten Höhlen wird es sein, auf den Grund des "Freundschaftsdomes" zu gelangen. Dies hofft der Berichterstatter mit Hilfe des unteren Bachlaufes zu erreichen, der fast genau unterhalb des oberen Bachlaufes zieht (in der Skizze seitlich verschoben), daher höchstwahrscheinlich auch in den "Freundschafsdom" mündet, aber so tief, daß der noch verbleibende Höhenunterschied ohne besondere Schwierigkeiten wird überwunden werden können."

Am 15. und 16.8.1936 erfolgte eine weitere Forschungsfahrt in das Höhlensystem auf der Hüttstatt durch Klaus Ferdinand, Johann Gaisberger sen., Alois Haim, Johann Pfandl und Othmar Schauberger, wobei von der Eingangsdoline III durch den oberen Höhlenteil bis zum "Freundschaftsdom" 156,4 m Länge bei 151,22 m Ebensohle und - 32 m Höhenunterschied vermessen wurden. Nach einem - 42 m Direktabstieg wurden am Grunde des "Freundschaftsdomes" weitere Fortsetzungen gesichtet (Teilplan 1:500 m von D.I. Othmar Schauberger- 1973). Leider mußten damals wegen ungenügender Ausrüstung und Zeitmangel die Forschungen abgebrochen werden. Am 4.8.1968 fand Othmar Schauberger die Eingangsdoline III mit Eis verschlossen vor.

1 Aus: Mitteilungen der Sektion Ausseerland, 12 (1): 2-5, 1974