Neue Grotten unter Tage entdeckt

Gmünder "Expeditionskommando" in Höhlen

Reinhold Kreuz und seine Mannen forschten am österreichischen Grundlsee

SCHWÄBISCH GMÜND (bre) -Sein Hobby ist der Abstieg ins Unbekannte. Die RZ hat bereits in einer Reportage den Gmünder Hobby-Höhlenforscher mit mittlerweile internationalem Renommee vorgestellt: Reinhold Kreuz, von Beruf Fotograf, seit Kindheitstagen in das Dunkel der Erde "verschossen". Zusammen mit sechs anderen Gmündern gelang es Kreuz bei einer achttägigen Expedition im Gebiet um den österreichischen Grundlsee eine Höhle wieder zu entdecken und in bisher noch nie erforschte Tiefen zu "befahren".

Das Biwak in den Bergen war schon lange vorbereitet worden. Laien und "Extreme", also in Sachen Höhlenforschung schon Versierte, sollten daran teilnehmen. Kreuz fand genug Mannen für die Fahrt unter Tage. Sieben Gmünder Höhlenfans, ein Höhlenforscher aus Aalen, einer aus Heilbronn und drei Österreicher (die allerdings nur vier Tage im Camp zubrachten) meldeten sich. Die meisten der Gruppe hatten nicht viel Ahnung was die Examinierung von Höhlen betrifft.

In sogenannten "Probebefahrungen" (Begehung einer Höhle) gab ihnen der inzwischen schon international bekannte Kreuz (der Gmünder veröffentlichte seine Forschungsergebnisse in verschiedenen nationalen und internationalen Fachzeitschriften) die höheren Höhlenweihen. "Wir sind hier in der Umgebung in die bekannten Höhlen gegangen und haben oft geübt." Die Liste des Ausrüstungsmaterials, das die Freunde der Grottenexpertise aufzubringen hatten, nimmt sich wie eine Logistik- Tabelle einer Militäreinheit aus: 300 Meter Seil, drei Karbidlampen, Shunt - Sicherungsbremse, Seilrollen (Flaschenzug), Transportbehältnisse, Steigeisen, Schlaz (Overall, der weitgehend wasserdicht ist). Schlusssatz nach einer halbseitigen Aufstellung:" ...und was man sonst halt noch alles braucht." Die Kosten für den Materialtransport sind dann auch beträchtlich zu Buche geschlagen (408,80 Mark). Soviel wurde gerade für Lebensmittel aufgebracht.

Todmüde

So wohl gerüstet und mittlerweile auch schon einige Erfahrung im Gepäck, wurden unbewohnte Gebiete im Karst am Grundlsee durchwandert. "Das Gelände war ziemlich schwierig", meinte ein Teilnehmer. "Sehr, sehr zerklüftet; man kam nur langsam vorwärts und am Abend sind wir todmüde auf unser Lager gefallen."

Doch schon vom ersten Tag an bot sich Gelegenheit, die Probekraxeleien am schwäbischen Rosenstein in konkrete neue, schwierigere Erfahrungen einzubringen. Kreuz:" Von 12 Tagen, die wir in unserem Camp verbrachten, sind wir an acht Tagen unter der Erde gewesen und haben Befahrungen durchgeführt."

Das Ergebnis ist erklecklich: 12 Höhlen wurden betreten. Davon waren gleich fünf unterirdische Räume Neuentdeckungen. "Das stärkste jedoch", so ein Hobbyhöhlenforscher, "ist die Entdeckung und Vermessung der 1921 gefundenen und 1936 letztmals betretenen Höhle an der Hüttstatt, einem dortigen Gebirgsgebiet." Kreuz vermutete anhand der Auswertung historischer und kartographischer Facts, dass es diese Höhle in der Nähe ihres Lagers geben mußte.

Doch tagelang blieb die Suche erfolglos. Durch verschiedene Tricks (durch Feuer wurden Luftströmungen in den Hohlräumen unter Tage und ihre Bewegungen ausgemacht) gelang es schließlich, "ein winziges Loch zwischen dem Eis, das dort lag, und der Höhlendecke zu finden".

Flaschenpost

Das "Ostalbexpeditionskommando" ging wieder unter Tage. Von der zweiten Befahrung der Höhle, (vor über 40 Jahren) wurde ein Flaschenpost gefunden. Unterzeichnet hatten acht Höhlenforscher. Sie waren 46 Meter tief in das Dunkel unter Tage vorgedrungen. "Wir sind über diesen Punkt hinaus vorgestoßen. Nach einem beschissenen Abstieg haben wir die eigentliche Höhle gefunden. Die damals entdeckten Teile hängen nämlich mit einer 300 Meter weiter entfernt liegenden Höhle zusammen. In einem 260 Meter langen Gang wurden extrem schöne Tropfsteine gesichtet. Auch entdeckten wir Fledermausskelette."

Am Ende des Ganges kamen die Wagemutigen, nachdem sie noch einmal 60 Meter tief abgestiegen waren, in eine Höhlenhalle mit den Ausmaßen 30 auf 100 auf 60 Meter. Kreuz und seine Mannen vermuten, dass hier ein System von Gängen mit einer Länge von sechs Kilometern besteht. "Weil ich überzeugt bin, dass einer der Gänge, die von der entdeckten Halle abzweigen mit der 300 Meter über dem Meeresspiegel liegenden Canonhöhle, in Verbindung steht."

6000 Meter Höhle

Der Taten- und Forschungsdrang war nicht mehr zu bremsen. "Auf der anderen Seite gelang uns ein Stück die Befahrung eines gewaltigen Canons, der in eine Richtung zieht, in der das in ihm fließende Wasser erst in etwa 4 Kilometern Luftlinie wieder die Möglichkeit hat, auszutreten. Dort befinden sich mehrere starke Quellen. Das würden eben diese 6 Kilometer Länge belegen. Bei einem Höhenunterschied von 700 Metern."

Damit steht für Kreuz fest, "dass die Planung eines Forschungslagers 1978 gerechtfertigt ist". Bis dahin wird ausgewertet, beziehungsweise exakt kartographiert, was vermessen wurde (1601 Meter Höhlenraum). Dazu kommt noch die Neuvermessung von Fläche am Tageslicht, da in dem Gebiet, in dem die Gmünder und Aalener gemeinsam forschten, zum Teil kaum verwendbare Karten vorliegen.

Auch "zwischenmenschliche Erfahrungen" müssen diskutiert werden. Kreuz: "Einige waren natürlich schon sehr geschlaucht. Manchmal sind Aggressionen aufgekommen. Das ist klar, wenn man ständig auf engem Raum zusammen ist. Aber was sie alle geschafft und schließlich versöhnt hat, war die Anstrengung, unter der alle litten, und an deren Ende immer die Müdigkeit stand. Wieder mitmachen wollen trotzdem alle."

Aus der "Remszeitung" vom Samstag, 19.11.1977, S.17

(Dazu wurden zwei Fotos vom Schönen Loch und vom Eingangsteil der Hüttstatthöhle mit abgebildet)