Schwäbische Höhlenforscher in den Grundlseer Bergen (Teil 1)

Geschichte und Geschichten

Von Richard Frank und Andre Abele

Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Höhlenforschung am Albert-Appel-Haus im westlichen Toten Gebirge und dem zunehmenden Alter der dort tätigen Forscher soll eine Chronik die Geschichte unserer Forschungen zusammenfassend aufarbeiten, mit dem Hintergedanken, eventuellen Nachfolgern genügend Motivation und Information zur Weiterforschung zu geben. Im ersten Teil, der ungefähr die ersten zehn Jahre behandelt, wird hauptsächlich die Erforschung der Hüttstatthöhle samt Umgebung behandelt, die gute alte Zeit, als man noch ein klares Forschungsziel vor Augen hatte und sich nicht in alle Richtungen verzettelte... (?)[Foto: Blick auf das Forschungsgebiet vom Großen Woising aus.]

Beginnen wir vor 30 Jahren. Die 1968 gegründete Höhlenarbeitsgruppe Schwäbisch Gmünd (HAG), die vorher hauptsächlich Höhlen der Ostalb erforscht hatte, entschloss sich 1973 das Große Almbergloch (1624/16) bei Grundlsee zu bearbeiten. Das beeindruckende, 30 mal 30 Meter messende Portal ist schon vom Grundlsee aus zu sehen. Dahinter setzt ein riesiger, von Blöcken, Schutt, Eis und Schnee bedeckter Gang an, der steil einen Viertelkilometer aufwärts zum Fuß großer Tagschlote führt, durch die man zur Hochfläche hinaufklettern kann. Die Höhle ist schon altbekannt, Friedrich Simony zeichnete 1845 den Ausblick aus ihrem Portal. Sie dürfte auch von Wilderern dazu genutzt worden sein, um schnell an die Hochfläche zu flüchten. Ausseer Forscher vermaßen 1961 den Hauptgang. Jochen Hasenmayer und Alexander Wunsch, die Ende der sechziger Jahre die benachbarte Almberg-Eis-und-Tropfsteinhöhle (1624/18) bearbeiteten, fanden 1972 die Fortsetzung zum Unteren System.

Die erste Tour der Gmünder fand vom 27. bis 29.07 1973 statt. Bis dato war die Höhle mit 313m Länge und einem Höhenunterschied von 120m im Kataster verzeichnet. Außer der Entdeckung vom Vorjahr wurden weitere Fortsetzungen gefunden, weshalb bis 1977 insgesamt 5 Expeditionen durchgeführt wurden. Haupttriebkraft der Forschungen war der 1979 verstorbene Reinhold Kreuz, der auch an allen fünf Exkursionen teilnahm. Weitere Teilnehmer waren Jürgen Pietschmann (3), Fred Vischer, Paul Geiger (je 2), Udo Löffel, M. Heidegger und der damals noch total höhlenunerfahrene H. Daniel Gebauer, der 1976 somit seine erste alpine Höhlenerfahrung machte.[Foto: Reinhold Kreuz im Gelände]

Zu Ostern 1977 wurde die fünfte und letzte Fahrt durchgeführt.

"Überraschenderweise", so Kreuz (1977b), wurde hier ein Endpunkt gefunden und somit die Vermessungen abgeschlossen.

An der östlichen Wand des Hauptganges zweigen die Fortsetzungen ab. Der Montmilchgang überlagert als einziger den Hauptgang. In nördlicher Richtung bildet der Eisschacht den Zugang zum Unteren System. Der folgende Große Schacht ist mit 96m Tiefe der tiefste der Höhle. Im Nordwesten folgt der Rundgang des Karrees, von dem der Lehmgang nach Süden wegzieht. Die Hauptfortsetzung, der Große Kluftgang, zieht nach Norden. Danach geht es steil abwärts zum westlich gelegenen tiefsten Punkt der Höhle, dem Letzten Bach. Ein Zusammenhang dieser Region mit dem nördlich liegenden, 80m tiefen Almbergschacht ist nicht auszuschließen. Dieser war jedoch bei der letzten Befahrung 1979 mit Schnee und Eis verschlossen. Die erreichte Gesamtlänge des Großen Almberglochs beträgt 2616 m bei 282 m (+94/-188)m Höhenunterschied, somit wurde die Katasterlänge fast verzehnfacht. Die erhoffte Verbindung zur östlich gelegenen, über 6 km langen Almberg-Eis-und- Tropfsteinhöhle konnte leider nicht realisiert werden.

Bei der Erforschung des Almberglochs entstand auch der Kontakt zu Franz Grill, dem Hüttenwirt des Albert- Appel-Hauses, der damals mit seinen Ponies beim Materialtransport zur Höhle half. Im Jahr 1977 wurde die Seilbahn zum Appelhaus fertiggestellt, für die Gmünder Forscher das Signal, das nächste Forschungsprojekt anzugehen: Ein Forschungslager (FoLa) auf dem Albert-Appel-Haus. Reinhold begründete das in einem extra für das FoLa gefertigten "Programmheft" so:

"Schon seit vier Jahren treiben sich Höhlenforscher der Höhlenarbeitsgruppe Schwäbisch Gmünd im oben genannten Gebiet (das Tote Gebirge - d. Red.) herum vor allem waren sie bisher mit der Erforschung des Großen Almberglochs beschäftigt. Dieses Frühjahr wurde nun nach harter Arbeit endlich das Ende der Höhle erreicht, in einer Tiefe von fast 300 Meter und bei einer Länge von 2,6 Kilometer. Mit der Zeit hatte sich dann auch ein sehr herzliches Verhältnis mit den dort ansässigen Höhlenforschern und anderen Leuten ergeben, diese Tatsache, zusammen mit der abgeschlossenen Erforschung des Großen Almbergloches, brachte uns schließlich auf die Idee, mal ein Unternehmen in etwas größerem Rahmen zu wagen. So entstand die Idee zum Forschungslager 1977, zu dessen Organisation zwar noch eine Menge Arbeit nötig war, von der wir anfangs noch keine Vorstellung hatten, doch scheint nun alles zu klappen und die Höhlen warten auf uns."

Die HAG hatte Unterlagen aus dem Kataster, Karten und Luftaufnahmen zur Verfügung. Rund um das Appelhaus waren nur wenige Höhlen bekannt, verschiedene Touren der Ausseer Forscher hatten jedoch schon vorher das Gebiet erkundet (u.a. AUER 1975, Rettich 1950). Diese Arbeit sollte fortgesetzt werden.

Sieben HAG-Mitglieder waren zehn Tage auf dem Appelhaus, wovon an acht Tagen Höhlentouren waren. An vier Tagen unterstützten die "Mammutisten" H.W. Franke, H. Thaler, C. Tortschanof und F. Scheffel die Gmünder. Neben 7 altbekannten Höhlen wurden 5 neu entdeckte Objekte vermessen. In der Durchgangshöhle am Redenden Stein konnten neue Gänge entdeckt werden, so dass die Gesamtlänge von 159m auf 390m bei 52m Niveaudifferenz anstieg. Weiterhin wurden das Schöne Loch 1624/21 (GL 140m), der Zwillingsschacht 1624/22 (GL 45m, 45m Vertikalerstreckung), das Schneeloch 1624/37 (GL 78m), der Schacht am Appel-Haus 1627/27 (GL 52m, VE 28m) und der Eiskeller am Hirschkarbichel 1627/28 (GL 220m) und die Neuentdeckungen Appelhaus-Eiskeller 1627/11 (GL 88m), Canyonhöhle 1624/98, Sojaschacht 1624/99, Gilbschacht 1624/100 und Superschlufschacht 1624/101 bearbeitet. Die Summe der Messzüge betrug 1601m. Leider sind die Unterlagen und Originalpläne des ersten FoLa zum größten Teil verschollen. Nachfragen bei verschiedenen Institutionen und Personen erbrachten bislang fast kein Ergebnis.[Foto: Kreuzcanyon]

Die siebte bereits bekannte und Erfolg versprechende Höhle, das Höhlensystem auf der Hüttstatt (1624/28), wurde erst am Ende des FoLa nach zweitägiger Suchaktion wieder entdeckt. Zu der Höhle lag ein ausführlicher Bericht von AUER und SCHAUBERGER (1974) und eine Planskizze im Maßstab 1:500 von Othmar Schauberger vor. Der sonst als sehr penibler Vermesser geltende Schauberger hatte jedoch den Wanderweg falsch eingezeichnet und den Nordpfeil um 180° gedreht , so dass im falschen Gebiet gesucht wurde. Über den wunderschön tropfsteingeschmückten Eingangsteil erreichten die HAGler den 60m-Abstieg in den Freundschaftsdom. Vor diesem Abstieg fanden sie eine Bierflaschenpost mit allen Unterschriften der Erstbegeher. Nach kurzem Blick in die abgehenden, großen Kluftgänge war klar, dass die Hüttstatthöhle ein lohnendes Forschungsobjekt werden wird. Bis jetzt waren 237m vermessen worden. Im Eingangsteil wurden Knochen der Braunen Langohrfledermaus, der Nordischen Fledermaus, von Maulwurf und Schneehuhn gefunden...[Foto: Hüttstatthöhle]

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Dies war das vorläufige Ende der Erforschung der Hüttstatthöhle. Wie aus den Beschreibungen hervorgeht, ist jedoch kein Ende abzusehen. Anlässlich des 15. FoLa 1991 initiieren die "Veteranen" Andi und Daniel noch eine Tour in den Polterschacht und nehmen über 300m Neuland mit nach Hause. Die Hüttstatthöhle ist mit 9175 Metern Gesamtmesszugslänge immer noch die größte Höhle unseres Arbeitsgebiets. Außer einer Honoratioren- Nostalgie-Schautour Mitte der Neunziger in die "klassischen" Teile hat diese anstrengende, aber auch aussichtsreiche Höhle kein menschliches Wesen mehr erlebt...[Landkarte: Forschungsgebiet «Auf der Hüttstatt»]

Literaturhinweise:

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Kreuz, R. (1977a):
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Kreuz, R. (1977b):
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Kreuz, R. (1978a):
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Kreuz, R. (1978b):
Abriß unseres Forschungslagers am Appel-Haus. - (Interne) Mitt. der Höhlenarbeitsgruppe Schwäbisch Gmünd, 22: o.S.; Schwäbisch Gmünd.

Kreuz, R. (1978):
Ein offener Brief. - (Interne) Mitt. der Höhlenarbeitsgruppe Schwäbisch Gmünd, 22: o.S.; Schwäbisch Gmünd.

Pfarr, T. und Stummer, G. (1988):
Die längsten und tiefsten Höhlen Österreichs. - 248 S.; Wien (Verband österreichischer Höhlenforscher)

Quapil, G. (1984a):
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Quapil, G. (1984b):
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Rettich, F. (1950):
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Stummer, G. (1981):
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Stummer, G. (1984):
Arbeitsbericht über die Theodolitvermessungen 1983 im Bereich Hüttstatt, Totes Gebirge. - Mitt. der Höhlenarbeitsgruppe Schwäbisch Gmünd, 11: 4-11; Schwäbisch Gmünd.

Das FoLa 1984 und die Entdeckungen der nächsten Forschungsperiode sollen in der Fortsetzung dieser Chronik behandelt werden.